Das Imperium schlägt zu
vom 06.02.2003
Schneller als erwartet verschärft sich der Umgangston.
Rumsfeld sagte, es gebe eine nicht unbedeutende Zahl von Staaten, die den USA bereits Unterstützung bei einem militärischen Vorgehen gegen Irak oder die Nutzung von Militärstützpunkten und Überflugsrechte zugesagt hätten. Andere Länder hätten signalisiert, sie würden beim Wiederaufbau Iraks helfen, wenn dort ein Machtwechsel stattgefunden habe. „Dann gibt es noch drei oder vier Länder, die gesagt habe, sie würden gar nichts tun“, sagte Rumsfeld. „Ich denke, Libyen, Kuba und Deutschland sind diejenigen, die angedeutet haben, sie würden in keiner Beziehung helfen.“
Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis auf den ersten News-Sites die Anmerkung erschien, dass dies sachlich nicht richtig sei. Dass unsere Politiker sich schwer taten, zu reagieren, ist verständlich. Mittlerweile ist es für den Außenstehenden nicht mehr möglich, Herrn Rumsfelds Äußerungen einzuschätzen. Die möglichen Interpretationen reichen von "Scherzle gemacht", was er ja in der Vergangenheit durchaus auch schon gekonnt hat, bis "Nach Iran und Nordkorea kommt gleich Deutschland". Von ihm selbst kommt keine direkte Hilfestellung bei der Interpretation
Ruhe vor dem Sturm
Ein paar wenige Zeichen, dass noch alles glimpflich auslaufen könnte gab es immerhin.
In den USA seien „ernste Zweifel aufgekommen, ob Deutschland noch ein verlässlicher Partner ist“. Dies schade den Beziehungen, „und sicherlich schadet es Deutschland“, sagte der Botschafter der USA in Deutschland, Coats.
Nach der strategischen Neuausrichtung der Außenpolitik der USA, wie sie im Papier "The National Security Strategy" vom 17. September 2002 dargelegt ist, ist es sicher angebracht, die Reichweite der einst von Schröder so vollmundig angetragenen "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA zu bedenken und sich daraus ergebende Einschränkungen auch deutlich zu machen. Dass unsere amerikanischen Freunde daraufhin die genannten Zweifel bekommen, ist nur folgerichtig. Was die Amerikaner unter verläßlich verstehen, müssen wir nun nicht mehr auf Gedeih und Verderb installieren. Auf deutscher Seite beginnt die Entwicklung einer eigenen Vorstellung vom gewünschten Verlauf der Weltpolitik - da zieht eine neue Situation herauf.
Auch Richard Perle, Berater von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, hat den Ton gegen Deutschland erneut verschärft. "Die Deutschen spielen keine Rolle mehr", sagte Perle dem "Handelsblatt".
Die USA benötigen offenbar nicht die Unterstützung eines jeden Staates. Die Ankündigung des deutschen Bundeskanzlers, beim Feldzug gegen den Irak nicht mitzumachen, bedeutet keine Einschränkung der amerikanischen Handlungsmöglichkeiten. Das, was Perle den Deutschen da absagt, ist, nach hiesigem Verständnis, ohnehin nie dagewesen. Eine Rolle im Sinne von Mitwirkung und Beeinflussung hätten die Deutschen nie gespielt, haben also nichts verloren.
Und das Imperium schlägt doch zurück
Ein noch sehr vages Gerücht sagt, die Amerikaner planen für die Zeit nach dem Feldzug. Sie haben schon mal 15 Mio $ ans Flüchtlingshilfswerk der UN überwiesen. Ich kann mich nicht erinnern, von den USA lobende Worte gehört zu haben über das, was diese Organisation mit ihrem Geld so macht - aber Gesten des guten Willens sind immer gern gesehen, auch wenn sie etwas unbeholfen wirken.
Auch ist die Rede von einer Neuordnung des ganzen Nahen Ostens. Es ist zu vermuten, dass im Zuge dieser Neuordnung den Israelis endlich ein Platz an der Sonne eingeräumt wird, der ihnen nicht andauernd aufs Neue streitig gemacht wird. Zu einer Neuordnung des Nahen Ostens gehört aber unbedingt auch, dass mit dem Problem Iran aufgeräumt wird. Das liegt so nahe am Irak, dass die Versuchung schon groß ist, das gleich in einem Aufwasch mit zu erledigen. Der ganze Nahe Osten befriedet, mit demokratischen Staatsverfassungen und Gesellschaftsordnungen, mit kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen, hei, das wird ein Spaß, da fahren wir dann alle zum Urlaubmachen hin (und auf den Kanaren werden wieder Bananen angebaut). Schöne neue Welt.
Wichtigste Masse zum Verteilen sind die Ölrechte. Die vagen Gerüchte sagen auch, dass die willfährigen Partner der USA da durchaus bedacht werden, während andere natürlich keine Rolle mehr spielen. Hat er das vielleicht gemeint, der Herr Perle? Hätten wir dann doch etwas verloren, oder haben wir gar keinen deutschen Ölkonzern mehr, dem die Schürfrechte im Golf was nützen täten, und der soviel politischen Einfluß haben müsste, dass Herr Schröder, der sonst doch auch auf eine starkes Wort aus der Industrie hört, schon längst umgestimmt sein müßte? Ja, da ruhen wir uns ziemlich auf dem freien Welthandel aus, dessen Bedingungen weitgehend von den USA bestimmt werden, aber auch uns von Nutzen sind, ohne dass wir uns darüber klar werden mussten, was denn die Deutschen (oder europäischen!) Interessen sind.
Viel schlimmer aber ist, was sich herausstellt, wenn mit den Kriterien, die der Aussenminister Powell bei seiner Vorlage neuer Beweise für die Untreue des Irak angewandt hat, auch Deutschland beurteilt werden müßte. Das kann nicht gut ausgehen. Zwar kann man nicht direkt davon sprechen, dass wir dabei sind, uns böse Massenvernichtungswaffen zu beschaffen. Aber es kommt doch auch bei uns vor, dass ein paar verdächtig aussehende LKW's ein paar Tage beieinander stehen, und plötzlich sind sie weg. Oder die verdächtigen Telefonate. Die hat Harald Schmidt gestern abend gleich im rheinischen Dialekt vorgeführt. Oder zurück zum Kampf gegen den Terrorismus. Dass Mohammed Atta lange Zeit in Hamburg Unterschlupf gefunden hat, ist ja nun schon fast ein ausreichender Grund für eine Bestrafungsaktion, damit wir lernen, sowas nicht wieder zu machen.
Wir sind dichter dran an der Achse des Bösen als je zuvor, und das muss sich auch so bald nicht ändern. Beim Aufräumen im Nahen Osten sind wir etwas aus dem Blickfeld entschwunden, aber wir scheinen immer noch oder schon wieder so etwas wie "Die Achse" zu sein, und unser Ort im weltpolitischen Koordinatensystem der USA ist wieder da, wo er früher auch schon mal war.